Die Wohnbauförderung ist einer jener Bereiche, in denen Südtirol autonom agieren kann. In den vergangenen 50 Jahren wurden dazu wichtige Weichen gestellt.

Das Land Südtirol erstreckt sich über eine Gesamtfläche von rund 7.400 Quadratkilometer, was rund 675.000 Fußballfeldern entspricht. Ein Großteil davon ist Bergland, die „potentiell besiedelbare Fläche“ beträgt hingegen nur 40.784 Hektar. Das entspricht 5,5 Prozent der gesamten Landesfläche. Davon ist rund ein Drittel bereits erschlossen und/oder verbaut. Wohnraum ist somit knapp in Südtirol. Das leistbare Wohnen ist im Jahr 2022 eine der großen Herausforderungen für Südtirols Politik, Wohnraumbeschaffung war jedoch auch schon in den Anfangsjahren der Autonomie eines der zentralen (sozialen) Themen. So war es unter anderem die Ankündigung des italienischen Ministeriums für öffentliche Arbeiten, weitere 5000 Sozialwohnungen für die aus dem Staatsgebiet zugezogenen italienischsprachigen Arbeiterfamilien in Bozen zu bauen, die im November 1957 zur Großkundgebung auf Schloss Sigmundskron führte. Die Kundgebung zählt zu einem der vielen Schritte auf dem Weg hin zum Zweiten Autonomiestatut, welches schließlich 1972 in Kraft treten konnte.

 

 

Die öffentliche Hand unterstützt Bürgerinnen und Bürger bei der Realisierung ihres Eigenheims.

Wohnen als soziale Frage

Der (soziale) Wohnbau war schließlich auch einer der Bereiche, für die Südtirol fortan über die primäre Zuständigkeit verwaltet wurde. Das Ziel war es fortan, sozial schwachen Bürgerinnen und Bürgern aller drei Sprachgruppen Wohnmöglichkeiten anzubieten. Unter anderem erfolgte dies über das „Institut für den geförderten Wohnbau“ (Wobi), welches zwar bereits seit 1934 bestand, bis dato jedoch primär den neu nach Südtirol gezogenen italienischsprachigen Familien Wohnraum zur Verfügung stellte (1998 erhältdas Wobi seinen heutigen Namen: Institut für den sozialen Wohnbau des Landes Südtirol). Durch Landesgesetz Nr. 3 vom 24. Jänner 1972, welches das erste thematische Gesetz des Landes Südtirol war, erhielt das Wohnbauinstitut eine neue Rechtsordnung, der neu eingesetzte Verwaltungsrat ließ in den Folgejahren ein umfangreiches Bauprogramm umsetzen. Dieses hatte zum Ziel, Mietwohnungen vor allem in den Südtiroler Landgemeinden zu errichten. Damit sollten einkommensschwache Südtirolerinnen und Südtiroler in ihren Heimatgemeinden bleiben können und damit der Landflucht Einhalt gewährt werden.

Der Zweck der Autonomie ist es, die Lebensbedingungen aller Menschen, die hier leben, stetig zu verbessern.

Mit dem Land ins Eigenheim

Parallel zu den Bemühungen im Bereich der (sozialen) Mietwohnungen baute man an einem Fördersystem, um den Südtirolerinnen und Südtirolern bei der Verwirklichung ihres Eigenheims Unterstützung bieten zu können. Mit dem Landesgesetz 15 wurden bereits im Sommer 1972 die Weichen für eine aktive Wohnbauförderung gesetzt. Auch durch diese ist es gelungen den ländlichen Raum attraktiv zu halten und Abwanderung zu verhindern. Dies belegen unter anderem die Daten, über welche das Landesstatistikinstitut ASTAT verfügt: Während die Bevölkerungs-und Siedlungsentwicklung in der Gemeinde Bozen rückläufig ist, wachsen die anderen Südtiroler Gemeinden, vor allem in den Zonen rund um Meran und rund um Bozen, ab der Mitte der 1980er Jahre lässt sich zudem eine Ausdehnung auf die Haupttäler und andere Gebiete beobachten. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung hat sicher auch die finanzielle Unterstützung durch das Land Südtirol. Laut ASTAT-Publikation zur „Wohnungspolitik in Südtirol“ aus dem Jahr 2010 gab Südtirol im Zeitraum von 2003 bis 2007 rund 182 Millionen Euro jährlich für die Wohnbauförderung aus, das Trentino hingegen nur 79 Millionen und die Region Venetien 109 Millionen Euro. Bis 2019 wurden insgesamt 3,4 Milliarden Euro an Förderungen für die Verwirklichung des Eigenheims an die Bürgerinnen und Bürger ausbezahlt. Bemerkbar macht sich dies auch an den hohen Eigentumsquoten: 1951 befanden sich 38,5 Prozent aller Wohnräumlichkeiten im Eigentum der Bewohner, 2017 waren dies über 70 Prozent. Fast die Hälfte(45 Prozent) aller Wohnungen in Südtirol wurden gänzlich oder teilweise mit öffentlicher Unterstützung errichtet. Die Wohnbauförderung ist auch heute noch ein wichtiger Kompetenzbereich, der sich an gesellschaftliche Entwicklungen anpasst und dementsprechend weiterentwickelt wird. So soll künftig über unterschiedliche Maßnahmen das leistbare Wohnen vorangebracht werden und damit zum sozialen Ausgleich beitragen. Denn für Wohnbaulandesrätin Waltraud Deeg liege genau darin der Zweck der Autonomie –heute ebenso wie vor 50 Jahren: „Der Zweck der Autonomie ist es, die Lebensbedingungen aller Menschen, die hier leben, stetig zu verbessern.“

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