Was wir heute unter Netzwerken verstehen, war schon vor 50 Jahren angesagt. Im Jahr des Inkrafttretens des Zweiten Autonomiestatutes gründeten die Alpenländer in Mösern die Arge Alp.

Der Schutz des Klimas und der Bergwelt steht im Fokus der Eusalp-Präsidentschaft, die das Land Südtirol gemeinsam mit dem Trentino im Dezember für ein Jahr lang übernommen hat. Die Europäischen Strategie für die Makroregion Alpen Eusalp (EU-Strategy for the Alpine Region) ist die jüngste der europäischen makroregionalen Strategien und vereint 48 Regionen, sieben Staaten und eine Bevölkerung von mehr als 80 Millionen Menschen im Alpenraum. Als kleines Alpenland und als Transitland will Südtirol im Hinblick auf die Klimaziele auch auf bestehende Kooperationen bauen und seine diesbezüglichen Erfahrungen einbringen.

 

 

Südtirol ist in der Eusalp mit 48 Ländern vernetzt. Seit 50 Jahren arbeiten zudem zehn Alpenländer in der Arge Alp zusammen.

50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Alpenländer.

Die Zusammenarbeit der Alpenländer hat eine jahrzehntelange Tradition: Im Oktober 1972, den Jahren des Wirtschaftsaufschwungs, wurde in Mösern in Tirol die Arbeitsgemeinschaft der Alpenländer Arge Alp aus der Taufe gehoben. Die Gemeinschaft, die zehn Länder in vier Staaten mit derzeit fast 26 Millionen Einwohnern umfasst, war europaweit der erste Zusammenschluss staatlicher und autonomer Einheiten auf einer Ebene unter den Nationalstaaten. Das Zweite Autonomiestatut ermöglichte der autonomen Provinz Bozen von Beginn an eine selbständige Mitgliedschaft in der Arge Alp. Südtirol arbeitet darin mit den Ländern Bayern, Salzburg, Tirol und Vorarlberg, den Kantonen Graubünden, St. Gallen und Tessin, der Lombardei und dem Trentino zusammen, um die Entwicklung dieses Alpengebietes als qualitätsvollem Lebens- und Erholungsraum zu sichern, Raumordnungsmethoden und Planungsziele sowie Baumaßnahmen im alpenüberschreitenden Schienen- und Straßenverkehr abzustimmen, die wirtschaftliche Kooperation auszubauen, das kulturelle Erbe bei gleichzeitiger Förderung des zeitgenössischen Schaffens zu erhalten, Gesundheit und Familie sowie die europäische Integration zu fördern. Das „Gemeinsame Leitbild für die Entwicklung und Sicherung des Alpengebietes“ der Arge Alp war bis zur Ausarbeitung der Alpenkonvention der umfassendste und konkreteste Zielkatalog im Alpenraum. In seinen Grundsätzen und fachlichen Zielen hat er bis heute Gültigkeit. In diesem Jahrbegeht die Arge Alp unter Tiroler Vorsitz ihren 50. Geburtstag.

 

Europaregion eint seit 1918 getrennte Tiroler Landesteile

Die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der 80er und 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts trieben den europäischen Integrationsprozess voran. Das Schengener Abkommen, der Vertrag von Maastricht, der EU-Beitritt Österreichs waren die Voraussetzungen für neue Formen der Zusammenarbeit. So war das Land Südtirol gemeinsam mit dem Land Tirol und dem Trentino unter den Ersten, die in Brüssel ein eigenes Verbindungsbüro zu den EU-Institutionen eröffnete. Die Vertretung der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino wurde unmittelbar nach dem EU-Beitritt Österreichs über ein Abkommen der damaligen Landeshauptleute 1995 geschaffen, mit  dem Ziel, die Interessen der drei Nachbarregionen auf EU-Ebene wirkungsvoll zu vertreten. Dabei setzte man auf ein grenzübergreifendes Modell, um nicht nur praktische Synergieeffekte zu nutzen, sondern auch die europäische Ausrichtung dieser ‚Europaregion‘ hervorzuheben. Im Jahr 1998 vereinbarten die drei Länder die Gründung der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino. Damit wurde die Staatsgrenzen übergreifende Zusammenarbeit der Länder, die von 1363 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs unter der Grafschaft Tirol vereint gewesen waren, auf eine neue Ebene gehoben. Eine Institutionalisierung dieser euregionalen Zusammenarbeit erfolgte 2011 mit der Errichtung des von der EU vorgesehenen Europäischen Verbunds territorialer Zusammenarbeit (EVTZ). Den Vorstand der Euregio bilden die drei Landeshauptleute. Ihre Zusammenarbeit in den unterschiedlichsten Bereichen soll auch die kulturelle Identität der Menschen in der Europaregion stärken. Das Generalsekretariat der Euregio hat seinen Sitz in Bozen, und zwar seit 2020 im Waaghaus. Im vergangenen Jahr hat die Europaregion eine Reform eingeleitet, um die Euregio zukunftsfähig zu machen und Demokratie und Bürgerbeteiligung zu stärken. So wurden der Euregio-Rat eingeführt und Bürgerräte vorgesehen. Derzeit hat das Trentino den Vorsitz der 1,8 Millionen Einwohner zählenden Euregio inne.

Regionale Zusammenarbeit im Wandel

Mit dem Trentino ist Südtirol nicht nur in der Europaregion verbunden: Die 1948 im Ersten Autonomiestatut für die neu geschaffene Region Trentino-Alto Adige festgelegte enge Verbindung der Provinzen Bozen und Trient mit italienischsprachiger Mehrheit stieß auf großen Widerstand in der deutschsprachigen Bevölkerung. Das Zweite Autonomiestatut leitete einen Wandel in der regionalen Zusammenarbeit ein, indem die regionalen Zuständigkeiten ausgehöhlt und die Befugnisse der zwei autonomen Provinzen ausgebaut wurden. Die Region, die mittlerweile Trentino-Südtirol heißt, besteht zwar weiterhin, den Großteil der Kompetenzen nehmen aber die Länder wahr, die besonders dann gemeinsam agieren, wenn es darum geht, autonome Zuständigkeiten gegenüber den römischen Institutionen zu vertreten. Eine wichtige Rolle bei der Verteidigung der Autonomien nimmt Südtirol in der Regionenkonferenz ein. Landeshauptmann Arno Kompatscher fungiert in der Kommission für Institutionelle Angelegenheiten als Koordinator der Autonomien, womit die Bedeutung der Autonomie Südtirols und Südtirols Autonomie-Erfahrung anerkannt werden. Eine weitere Position auf europäischer Ebene, und zwar ein Sitz im Ausschuss der Regionen für Südtirols Landeshauptmann, ermöglicht es Südtirol, für das Subsidiaritätsprinzip und ein Europa der Regionen und der Vielfalt einzutreten.

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