Südtirol testet: Die landesweite Initiative gegen das Coronavirus war ein Stück Südtiroler Sanitätsgeschichte. Tausende Menschen — viele von ihnen ehrenamtlich — arbeiteten Ende November zusammen, um das Screening zu bewältigen. Ein Rückblick mit persönlichen Einblicken.

„Die Aktion ‚Südtirol testet‘ Ende November vergangenen Jahres war eine große Chance, um die Infektionsketten zu brechen“, erklärt Landeshauptmann Arno Kompatscher. „Endlich hatten die Menschen das Gefühl, aus einer Ohnmachtssituation heraustreten und konkret einen wertvollen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten zu können. Dabei hat Südtirol einmal mehr bewiesen, dass es zusammenhält, wenn es darauf ankommt.“ In einem landesweiten Screening war damals ein Großteil der Südtiroler Bevölkerung mit Antigen-Schnelltests auf das Virus Sars-CoV-2 getestet worden. In wenigen Tagen wurden 646 Testlinien an 184 Standorten organisiert und mit qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgestattet. „Dass das gelungen ist, ist beispiellos und war nur dank der Mithilfe unserer Freiwilligenorganisationen möglich“, sagt der Landeshauptmann im Rückblick: „Deren Einsatz war und ist im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar und zeugt von großem Verantwortungsgefühl für unsere Gemeinschaft.“

Auch Bevölkerungsschutzlandesrat Arnold Schuler unterstreicht: „Im Rahmen dieser Testreihe vom 20. bis 22. November hat sich erneut gezeigt, dass unser Freiwilligenwesen nicht nur in Bezug auf die Organisation, sondern auch auf die Umsetzung von außergewöhnlicher Bedeutung ist.“

 „Wenn ich sie brauche, kommen sie“

4000 Feuerwehrleute standen an diesen besonderen drei Tagen im Einsatz. Einer von ihnen ist Erich Winkler, seit 23 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr in Mühlbach, seit 16 Jahren deren Kommandant. Am Testwochenende war er als Einsatzleiter drei Tage lang im Dauereinsatz. Seine Feuerwehrmänner sind ihm zur Seite gestanden, denn: „Wenn ich sie brauche, rufe ich an oder schicke eine Whatsapp-Nachricht, und dann kommen sie. Darauf ist Verlass.“ Am Mittwoch, 18. November, mussten die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Mühlbach ganz kurzfristig zu den Testungen eingeladen werden, nach einem Treffen mit dem Bürgermeister in der Feuerwehrhalle schwärmten die Feuerwehrleute im Hauptort Mühlbach und in den Fraktionen Meransen, Vals und Spinges noch am selben Tag aus und trugen zwischen 20 und 22.30 Uhr die Einladungen in alle Haushalte. Am Donnerstag stellten die Feuerwehrmänner in zwei Stunden die Teststation auf, am Freitag, Samstag und Sonntag übernahmen je fünf Mann in je zwei Schichten den Ordnungsdienst. Am Sonntagabend begannen sie nach der Schließung der Teststation mit dem Aufräumen, und zwei Stunden später war alles wieder verräumt. Als Besonderheit an diesem Wochenende nennt der Feuerwehrkommandant nicht die Einsatzbereitschaft und die ständige Verfügbarkeit, denn das, unterstreicht er, sei bei der Feuerwehr selbstverständlich. Als besonders hat er nur die Unsicherheit im Hinblick auf eine mögliche Ansteckung mit dem Coronavirus erfahren. Alle Diensttuenden wurden an allen drei Tagen getestet.

Innerhalb kürzester Zeit sehr viele Ressourcen in Bewegung gesetzt“

In der Nachbargemeinde Natz-Schabs war an diesem Testwochenende Barbara Siri als Einsatzleiterin tätig. Seit nahezu 30 Jahren ist sie als Freiwillige beim Weißen Kreuz aktiv, seit 2015 steht sie dem Landesrettungsverein als Präsidentin vor. Dieses Projekt war ein Zusammenspiel von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinde und des Sanitätsbetriebes und der Mitglieder der Freiwilligenorganisationen wie Weißes Kreuz und Feuerwehr: „Meine Aufgabe war es, alle zu koordinieren und nach der Lagebesprechung in der Früh im Vereinshaus von Natz die Aufgaben einzuteilen,“ berichtet Siri. Es galt, die Testreihen vorzubereiten und die Nachbeschaffung von Material nach Absprache mit dem Bezirkskoordinator über den Zivilschutz des Weißen Kreuzes zu koordinieren.

Besonders spannend sei es gewesen, wie viele Leute zu den Tests kommen; eine Zahl, die bei der Einrichtung der Testreihen noch völlig im Dunkeln lag. Wie in Mühlbach war auch in Natz der Freitag der Tag mit dem größten Zustrom; unerwarteterweise, da man sich am Samstag und Sonntag als Nicht-Arbeitstag mehr Testwillige erwartet hätte. Die Zusammenarbeit hat sehr gut funktioniert, unterstreicht Barbara Siri, jeder habe seinen Bereich übernommen und sich mit den anderen abgestimmt: „Man versteht sich auch ohne Worte.“ Denn das, betont sie, sei ein Merkmal der ehrenamtlichen Organisationen, „dass so schnell und flexibel agiert werden kann, weil alle anpassungs- und teamfähig und unkompliziert sind“. An jedem der drei Tage kamen Feuerwehrleute der fünf Dörfer Aicha, Natz, Raas, Schabs und Viums zu den Vormittags- und Nachmittagsschichten, in den vier Testreihen testeten Krankenpflegepersonal und Ärzte, Mitarbeiter der Gemeinde nahmen die Daten auf, an die 20 Personen kümmerten sich insgesamt pro Tag um die Tests. Die Stimmung, beschreibt Einsatzleiterin Siri, war „sehr gut, sehr positiv“. Auch das zeichnet Ehrenamtliche aus: Innerhalb kürzester Zeit werden so viele Ressourcen in Bewegung gesetzt.

Zusammenspiel in enger Synergie und guter Kooperation“

In der Steuerungsgruppe zur Planung der Massentests hat Manuel Pallua mitgearbeitet. Er ist seit 20 Jahren Freiwilliger beim Roten Kreuz, seit 2017 Vizepräsident des Landeskomitees und seit 2019 Präsident. In täglichen Sitzungen mit dem Weißen Kreuz und Vertretern der Freiwilligen Feuerwehren, der Gemeinden und der Agentur für Bevölkerungsschutz hat der Präsident des Roten Kreuzes die Organisation auf offene Punkte bearbeitet. In dieser Vorbereitungsphase haben Mitglieder von Rotem Kreuz, Weißem Kreuz und Freiwilligen Feuerwehren Pakete gepackt, die in die einzelnen Dörfer gebracht wurden.

An den drei Tagen der Testungen, berichtet Pallua, galt es, in der Leitstelle logistische und informatische Probleme zu sammeln und zu lösen oder andernfalls weiterzuleiten. Während der Tests gab es keine Probleme und keinen Personalausfall: „Wenn wir gesehen haben, dass irgendwo Material fehlt, haben wir es logistisch in die Hand genommen und verschoben oder ergänzt“. Die Arbeitsgruppe und die Steuerungsgruppe brachten in je zwei täglichen Sitzungen die Situation auf den Punkt. „Das Rote Kreuz war mit Koordinatoren vor Ort und mit Freiwilligen, die unterstützend tätig waren, so haben wir etwa den Ordnungsdienst der Feuerwehrleute ergänzt oder bei der Eingabe der Daten mitgeholfen“, blickt Pallua zurück.

„Das Zusammenspiel zwischen Weißem Kreuz, Rotem Kreuz, Freiwilligen Feuerwehren und Bergrettungsdienst erfolgte in enger Synergie und in absolut guter Kooperation“, betont der Präsident des Roten Kreuzes, „wir waren Vorbild etwa auch für die Massentests in Österreich, nicht nur in der Organisation, sondern auch im Hinblick auf die Teilnahme der Bevölkerung“. Das System der Freiwilligen in Südtirol, hebt Manuel Pallua hervor, sei „gut ausgearbeitet und langjährig aufgebaut: Die Vorarbeit der vergangenen Jahrzehnte ist darin gemündet, dass in diesen Tagen eines noch nie dagewesenen Massentests alles großartig funktioniert hat“.

„Ich sehe meine Arbeit an diesem Testwochenende als Teil meiner Bürgerpflicht“, sagt Ulrike Buratti, Leiterin der Bozner Stadtgärtnerei, die sich freiwillig zu diesem Dienst gemeldet und an allen drei Tagen der Massentests Daten erfasst und eingegeben hat und für die Teststation in der Turnhalle der Grundschule Gries zuständig war. Um 7.15 Uhr hat sie am Freitag, Samstag und Sonntag, 20. bis 22. November, die Teststation aufgesperrt und nach zwölf Stunden um 19.15 Uhr wieder zugesperrt. Es war dunkel beim Anfangen in der Früh und beim Aufhören am Abend, erinnert sie sich: „Die Stimmung war total nett, wir waren eine nette Gruppe, jeder hat jedem dort geholfen, wo es gebraucht wurde“. Sie sei auch „stolz darauf, dass wir als Gemeinde Bozen uns in so kurzer Zeit organisiert haben“. Nicht nur einmal kam es vor, dass jemand, der nur für den ersten Turnus eingeteilt war, seine Unterstützung dann auch für den nächsten Turnus angeboten hat. Gemeinsam mit Mitgliedern von Weißem Kreuz und der Freiwilligen Feuerwehr Gries, die den Ordnungsdienst versehen hat, mit teils pensionierten Ärzten und Krankenpflegepersonal hat sie dazu beigetragen, dass das Projekt „Südtirol testet“ gelungen ist.

Projekt „Südtirol testet“

An nicht ganz 200 auf ganz Südtirol verteilten Teststationen konnten sich zwischen dem 20. und 22. November 2020 alle Bürgerinnen und Bürger im Alter von mehr als fünf Jahren kostenlos einem Antigen-Schnelltest unterziehen. Bei einigen Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin und in einigen Apotheken war der Test zudem zwei Tage vor und drei Tage nach den offiziellen drei Tagen ebenfalls möglich. Alle Zahlen gemeinsam ergaben in Summe: 361.781 Personen ließen sich bei der großangelegten Aktion testen, bei 3615 von ihnen – und also 1 Prozent – wurde das Coronavirus nachgewiesen.

Organisatoren der landesweiten Testreihe „Südtirol testet“ zur Eindämmung des Coronavirus waren der Südtiroler Sanitätsbetrieb und die Agentur für Bevölkerungsschutz in Zusammenarbeit mit den Südtiroler Gemeinden, den Freiwilligen Feuerwehren und den Rettungsorganisationen Weißes Kreuz und Rotes Kreuz.

Zahlen in den einzelnen Gemeinden: coronatest.sabes.it/de/

Willst du mehr? Folge LP auf Facebook und Twitter oder erhalte deine Kopie direkt zu Hause!