Eine zweite Chance für Lebensmittel
Der bewusste Umgang mit Lebensmitteln und die Verhinderung der Lebensmittelverschwendung sind Teil der Nachhaltigkeitsziele der UN. Südtirol wird in diesem Bereich tätig.
Wenn kurz vor dem abendlichen Ladenschluss zwei Fahrräder vor einer Bäckerei parken, kann es in Bozen, Meran oder Bruneck sein, dass die Bröseljäger ihre Runde drehen. In Zweierteams, mit Lastenrädern ausgestattet, sammeln Freiwillige nämlich jene Lebensmittel ein, die im Geschäft nicht mehr verkauft werden können. Da kommt das Brot vom Vortag zu den Äpfeln, die schon einige Tage im Geschäft liegen. Auch anderes Obst und Gemüse, Süßigkeiten oder Milchwaren werden als sogenannte Brösel gesammelt und zu einem zentralen Sammelpunkt gebracht. An einem Abend können dabei schon mal 1000 Brösel zusammenkommen, erzählt Bröseljäger-Koordinator Christian Bacci. Am Sammelpunkt werden die Lebensmittel entweder direkt an bedürftige Personen weitergegeben oder an Kooperationspartner verteilt. Einer dieser Partner ist die Landestafel (Banco Alimentare), die seit 2003 in unserer Region tätig ist. Auch die Landestafel sammelt noch verwendbare, frische Lebensmittel. Allerdings werden diese meist direkt bei den Supermarktketten, Mensen und lokalen Lebensmittelproduzenten abgeholt. Hinzu kommt ein Aktionstag, an dem in ganz Italien Supermarktkunden Lebensmittelspenden an die Landestafel weitergeben können. Jährlich werden so rund 700 Tonnen Lebensmittel vor der Mülltonne gerettet, an 45 caritative Einrichtungen weitergegeben und damit für zahlreiche bedürftige Menschen in Südtirol bereitgestellt. Vor allem über die unterschiedlichen Tafeln oder die Lebensmittelausgabestellen kann darauf nicht nur in den Zentren, sondern auch im ländlichen Raum auf gespendete Lebensmittel zurückgegriffen werden. „Unsere Arbeit besteht darin, Familien zu unterstützen, aus schwierigen Situationen herauszukommen, indem wir ihnen Lebensmittel und andere Güter des täglichen Gebrauchs zur Verfügung stellen“, sagte der Vizepräsident der Landestafel, Luca Merlino bei der Vorstellung der Landeskampagne gegen die Lebensmittelverschwendung.
Weniger verschwenden, mehr Nutzen für alle
Unter dem Slogan #wenigerverschwenden hat das Land Südtirol im September 2021 eine Sensibilisierungs- und Informationskampagne gestartet. Sensibilisieren dafür, dass Lebensmittel wertvoll sind und eigentlich nicht in die Tonne gehören, sondern entweder weiterverwendet oder gespendet werden können. Informieren darüber, wo und wie Lebensmittelverschwendung entsteht und was jeder und jede Einzelne von uns dagegen tun kann. Seit dem Jahr 2018 fördert das Land Südtirol durch ein eigenes Landesgesetz Initiativen gegen die Verschwendung von Lebensmitteln und anderen Produkten.
Der dabei begründete Koordinierungstisch vereint Akteure der Wirtschaft mit Vertretungen der Landesverwaltung, der Gemeinden und der Organisationen, die im sozial-caritativen Ehrenamt Lebensmittel an Bedürftige weitergeben. Und genau dieses Gremium war es, das gemeinsam mit dem Ressort von Soziallandesrätin Waltraud Deeg und dem Landesamt für Kinder- und Jugendschutz und Soziale Inklusion den Anstoß für die aktuelle Kampagne gegeben hat. Denn auch in Südtirol entsorgt jede Bürgerin und jeder Bürger im Durchschnitt 27,5 kg an Lebensmitteln, die eigentlich noch verwendet, verkocht oder gespendet hätten werden können.
#wenigerverschwenden
Resteverwertung einfach gemacht
„Die vollständige Lebensmittelverwertung ist ein wichtiger Teil der sozialen Nachhaltigkeit“, ist Landesrätin Deeg überzeugt. Einen Schritt dazu könne jede und jeder von uns machen, indem mit jedem Lebensmittel achtsam umgegangen werde. Dies reicht von der bewussten Kaufentscheidung für saisonale, lokale und regionale Produkte, hin zu einer vollständigen Nutzung des Lebensmittels bei der vielleicht auch kreativen Zubereitung von Gerichten.
Auf der Internetseite www.wenigerverschwenden.it sind daher nützliche Informationen und Daten und ein kleines Rezeptbuch zu finden. „Resteverwertung einfach gemacht“ hält 16 Rezeptvorschläge bereit, mit denen das Brot von der vergangenen Woche zu Käsenocken oder die zu viel gekochten Nudel vom Vortag zum Nudelauflauf werden. Denn egal ob weiterverwertet oder gespendet: Lebensmittel sollten nur an einem Ort nicht landen – in der Mülltonne!
Unterwegs mit den Bröseljägern
3 Fragen an Koordinator Christian Bacci
Wie viele Bröseljäger sind täglich unterwegs und sammeln wie viele Lebensmittel in den Geschäften ein?
Die Bröseljäger sind ein Projekt des Vereins Volontarius. In Bozen sind jeden Abend vier Freiwillige mit Fahrrädern und zwei weitere mit Autos unterwegs, um Lebensmittel einzusammeln. Außerdem fahren dreimal wöchentlich zwei Freiwillige mehrere Supermärkte und den Großhandel ab. In Meran und in Bruneck sind ebenfalls jeweils zwei Radteams unterwegs. Im Durchschnitt sammeln sie rund 1000 Brösel pro Abend – dabei kommt jeder „Brösel“ einem Stück gleich (z.B. Brot, Süßgebäck oder Pizzette). Momentan machen wir bei insgesamt 126 Geschäften und Verkaufspunkten Halt.
Wie kam es im Jahr 2013 zu den Bröseljägern?
Die Idee dazu entstand aus der Notwendigkeit, ein Brötchen oder eine Süßware an Obdachlose weiterzugeben, die wir im Rahmen des Volontarius-Projektes „Oltre la strada“ begleiten. Damals häuften sich die Schwierigkeiten, weil mehr Menschen in Not waren und nicht ausreichend Lebensmittel für ihre Versorgung zur Verfügung standen. Gleichzeitig sahen wir, dass Geschäfte bestimmte Lebensmittel wegschmeißen mussten – so kam uns die Idee, dies zu nutzen und damit gleich zwei sinnvolle Dinge miteinander zu verbinden: Einerseits verhindern wir, dass essbare Lebensmittel weggeschmissen werden, andererseits können wir diese Güter jenen weitergeben, die Bedarf haben.
Wie kann man Teil des Bröseljäger-Teams werden?
Es gibt eigentlich keine besonderen Voraussetzungen; lediglich jene, dass man ein Fahrrad oder ein Auto fahren kann. Der zeitliche Aufwand besteht aus rund zwei Abendstunden, und jede und jeder kann selbst entscheid en, wie oft man im Bröseljäger-Einsatz ist. Wir freuen uns über jede und jeden – egal ob man wöchentlich oder auch nur ein- oder zweimal im Monat im Einsatz ist.
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