#2 Soziales Netz
Eine familienbewusste Personalpolitik ist das Ziel des Audit familieundberuf.

Durch das Audit familieundberuf werden Arbeitgeber auf dem Weg zu mehr Familienfreundlichkeit von Land und Handelskammer Bozen unterstützt. Die Raiffeisenkasse Überetsch ist eines von 83 zertifizierten Unternehmen, die in den vergangenen Jahren eine oder mehrere Etappen dieses Verfahrens und strategischen Marketinginstrumentes erfolgreich durchlaufen haben. Dabei werden unter fachkundiger Anleitung in einem betriebsinternen Prozess konkrete, passgenaue Maßnahmen für Mitarbeiter und Unternehmen erarbeitet. Für Direktor Eduard Huber und sein Team ist die familienbewusste Personalpolitik ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur, welcher täglich mit Leben gefüllt wird. Wie damit nicht nur Familien im engeren Sinn unterstützt, sondern das Wohlbefinden aller Mitarbeiter gefördert wird, erklärt Direktor Huber im Gespräch mit LP.

 

Herr Huber, Sie leiten ein Unternehmen, das mit gezielten Maßnahmen seine Familienfreundlichkeit steigert. Wem kommen diese Maßnahmen zu gute?

Wir haben ein ausgeglichenes Team; in der Arbeitsgruppe familieundberuf haben wir versucht, alle einzubinden. Wir haben im Betrieb nicht nur Mitarbeiterinnen, die Mütter sind, sondern auch eine starke Vertretung der Landwirtschaft, also Mitarbeitende, die zum Beispiel im Herbst, zur Erntezeit, etwas mehr an Flexibilität benötigen. Familienfreundlichkeit ist nicht nur gefragt, wenn jemand ein Kind zu Hause hat, sondern auch wenn man im Alter wieder zum Kind wird und pflegebedürftige Eltern da sind. Auch dafür muss das Verständnis gegeben sein, genauso wie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Kinder. Es braucht – wie überall – ein gutes Zusammenspiel von Geben und Nehmen.

Wir haben uns dann auch gefragt, was ist mit den älteren Angestellten? Wir haben auch hier eine Möglichkeit gefunden und diese Idee beim letzten Re-Audit eingebaut. Wenn man sich auf die Rente vorbereiten kann, wenn man auch in gesunden Jahren noch die Freizeit genießen kann, dieses Angebot ist sehr gut aufgenommen worden. Im Endeffekt hat es dann aber bisher nur ein Mitarbeiter in Anspruch genommen, weitere Mitarbeiter prüfen das Angebot.

 

"Das Team ist im Vordergrund, nur wenn das Team zusammenschaut kann jeder einen Vorteil daraus ziehen." Eduard Huber

Wie viele Mitarbeiter hat Ihr Betrieb?

Wir haben insgesamt 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bankdienst und fünf im Reinigungsdienst, die alle in Part-time sind. Zudem sind momentan fünf Mitarbeiterinnen in Mutterschaft. Wir haben generell einen sehr hohen Part-Time-Anteil. Wir haben dabei einen männlichen Mitarbeiter, der kurz vor der Pensionierung ist und nun ein Jahr probeweise 66 Prozent arbeitet, er arbeitet somit nur mehr am Vormittag. Wir haben auch eine Mitarbeiterin ohne Kinder, welche bereits seit einigen Jahren mit einem Teilzeitvertrag bei uns arbeitet. Die anderen 22 Part-Time-Verträge unterscheiden sich einer vom anderen. Manche Mitarbeiterinnen wohnen etwas weiter weg und arbeiten daher zwei Tage voll. Andere Verträge sehen 40 bis 80 Prozent vor und sind sicherlich zum Teil auch betrieblichen Bedürfnissen geschuldet oder tragen den persönlichen Bedürfnissen unserer Angestellten Rechnung. In den Filialen und Abteilungen muss letztendlich alles zusammenstimmen, sonst geht es nicht. Bald kommen drei Mitarbeiterinnen, die bisher in Vollzeit gearbeitet haben, wieder aus der Mutterschaft zurück; für sie werden wir auch wieder die Möglichkeit eines Teilzeitvertrages vorsehen. Wie bereits gesagt, haben wir zusätzlich fünf Mitarbeiterinnen in Part-Time für den Reinigungsdienst. Wir sind eine der wenigen Banken, die die Reinigungskräfte aus dem eigenen Dorf beschäftigen, wir legen als Betrieb auch Wert darauf, dass diese aus dem Dorf kommen und ein kleines Einkommen haben – und nicht eine Reinigungsfirma von außen beauftragt wird.

Was die Altersteilzeit betrifft, kann diese für unterschiedlich lange Zeiträume gewährt werden: drei Monate, sechs Monate. Es kann auch gesagt werden, ‚Ich nehme nur am Freitag frei‘. Viele Varianten haben wir offengelassen. Bei unseren älteren Mitarbeitern gilt es, auch die Pensionsregelung vorab zu prüfen. Wenn die Pensionszahlungen mit der verkürzten Arbeitszeit und dem Gehalt zurückgehen, dann muss es sich jemand auch leisten können. Ein Mitarbeiter hat diese Altersteilzeit geprüft und sie ganz bewusst in Anspruch genommen, weitere Mitarbeiter sind derzeit in der Prüfungsphase, da es auch mit der neuen staatlichen Pensionsregelung noch einige Fragezeichen gibt.

 

 

Zertifikatsverleihung mit Landesrätin Deeg und Handelskammerpräsident Ebner

Wie lange können Mitarbeiter dies in Anspruch nehmen?

Wir haben dies vorerst für maximal ein Jahr vorgesehen, danach kann natürlich eine neue Anfrage gestellt werden. Wir haben dieses Procedere bei allen Teilzeiten, bisher sind immer alle auch wieder verlängert worden. Wir haben bisher immer darauf geachtet, die Verlängerungen im Einklang mit den Bedürfnissen des Ansuchenden und den Bedürfnissen der Bank gut zu vereinbaren. Im Vorjahr waren zwei Filialen am Nachmittag geschlossen, somit konnten wir dort unsere Angestellten am Vormittag optimal einsetzen. Zum größten Teil sind die Teilzeitverträge derzeit auf die Arbeitszeit am Vormittag ausgelegt, aufgrund der derzeit sehr hohen Anzahl an Teilzeitkräften und der immer schwieriger werdenden Koordination und Organisation werden wir sicherlich in Zukunft auch „vertikale“ [bei der an bestimmten Tagen vollzeitig gearbeitet wird; im Gegensatz zur horizontalen Teilzeit, entweder am Vormittag oder am Nachmittag die Arbeitsstunden geleistet werden, Anm. d. Red.] Teilzeiten in Betracht ziehen.

Der laut Kollektivvertrag vorgesehene Part-Time-Anteil ist bei uns mit den derzeit 24 Teilzeitmitarbeitenden bereits doppelt so hoch … und da kommen jetzt noch drei dazu. Das ist sicher eine große organisatorische Herausforderung, die wir aber sicherlich auch wieder meistern werden.

 

Ist für Ihren Betrieb Job Sharing eine machbare Variante?

Momentan wird das noch nicht vorgesehen, aber die Maßnahme ist im letzten Re-Audit enthalten. Wenn jetzt drei Mütter aus der Elternzeit zurückkommen, wird sich dies aber sicher ändern, da werden wir dies sicherlich entsprechend prüfen. Hier können wir als Arbeitgeber sagen, es müssen sich zwei Teilzeitkräfte den Arbeitsplatz teilen, indem die Woche vertikal geteilt wird oder indem wöchentlich abwechselnd gearbeitet wird oder wie auch immer. Sie können sich die Arbeitszeiten untereinander ausmachen, die Besetzung der Stelle muss aber entsprechend gesichert sein, ein reibungsloser Arbeitsablauf garantiert werden und der Arbeitsplatz als Vollzeitstelle abgedeckt sein.

 

Wie ist die Reaktion der betroffenen Angestellten?

Gut. Noch, sagen sie, ist es für sie kein Problem, weil die Kinder kleiner sind. Das könnte dann, wenn das Kind Kindergarten oder Schule geht, anders sein, da ist dann eher eine Vormittagsarbeit gewünscht. Da muss man dann erneut prüfen und wieder nach Lösungen suchen. Aber ich muss sagen, dass wir bisher sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Das Bankgeschäft ist auf Vertrauen aufgebaut und Kunden, wie auch die Bank profitieren von der Erfahrung der Mitarbeiter, die wieder im Bankdienst tätig sind. Wir hatten einmal ein Jahr, in dem langfristige Krankheits- und andere Personalausfälle zusammengekommen sind, da haben wir alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammengerufen und es ist uns gelungen, für die Überprüfung des Engpasses einige Teilzeiten entsprechend zu erhöhen und so den Engpass zu überbrücken.

 

Profitiert ein Arbeitgeber also auch von einem familienfreundlichen Klima, von diesem Maßnahmenpaket?

Absolut. Ich bin vielleicht einer der wenigen, die sagen, ich übernehme diesen Aufwand gerne. Ich habe auf der organisatorischen Seite zwar einen Mehraufwand, aber auf der anderen Seite haben wir gute und zufriedene Mitarbeiter. Das Bankgeschäft ist ein Vertrauensgeschäft, das kann ich nicht mit dem Taschenrechner nachrechnen. Unsere Kunden kennen unsere Angestellten, sie schenken ihnen ihr Vertrauen, wenn Angestellte aus der Elternzeit zurückkommen und bei uns weiterarbeiten, ist das durchwegs positiv: Da kommt Erfahrung zurück, da kommt Kontinuität und Vertrauen zurück. Zusätzlich spricht sich das in der Gemeinde herum, dass der Betrieb familienfreundlich ist, dass dort die Leute aus dem Dorf angestellt werden, das sind alles Punkte, die ins Gesamte miteinfließen. Eine bestimmte Wertehaltung muss da sein und die muss von allen mitgetragen werden.

 

Ich schließe daraus, dass die Mitarbeiterfluktuation gering ist?

Ja, sehr gering. Wir hatten im vergangenen Jahr sicher eine größere Veränderung, weil zwei Mitarbeiter in Pension gegangen sind, zwei haben ein Studium begonnen und dazu hat ein Mitarbeiter ein Sabbatjahr in Anspruch genommen. Aber diese fünf waren sicher die höchste Zahl seit vielen Jahren, bei insgesamt 90 Mitarbeitern passt das Verhältnis.

"Ich war und bin so begeistert von diesem Konzept – vom ersten Tag an." Eduard Huber

Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie als Betrieb das Audit familieundberuf absolviert haben?

Die Auditorin Marlene Pircher Preims ist eine gute Bekannte von mir und wir sind über dieses Thema ins Gespräch gekommen. Mein Interesse war eigentlich bereits geweckt. Zumal jedoch Banken bisher kaum dieses Verfahren durchlaufen haben, war es etwas Neues und Unbekanntes. Unser Betrieb hatte eine schwierige wirtschaftliche Phase zu überwinden. Es ging mir als Direktor daher auch darum, die Menschlichkeit wieder in den Vordergrund zu rücken und den Zusammenhalt zu pflegen. Damals haben auch durch das Streichen von Teilzeitverträgen mehrere Mitarbeiter den Betrieb verlassen.

Ich war und bin so begeistert von diesem Konzept – vom ersten Tag an. Von den ersten Schritten der Arbeitsgruppe, den ersten Ideen über die laufende Weiterentwicklung ist es eine tolle und spannende Sache. Es ist sicherlich auch eine Imagesache gewesen, wir wollten und wollen ja auch nach außen zeigen, was wir tun. Wir leben dies aber auch.

Das hat sich dann auch weiterentwickelt, wir trafen uns ursprünglich zwei Mal im Jahr, nun kommt die Arbeitsgruppe einmal jährlich zusammen, da wird reflektiert darüber, was wir umgesetzt haben, und auch neue Ideen gesammelt und erarbeitet. Wenn uns ein unverheirateter Mitarbeiter fragt: ‚Was habe ich davon?‘ – da müssen wir uns etwas überlegen, dass dieser Mitarbeiter auch etwas davon hat.

 

Wer ist in der Arbeitsgruppe vertreten?

Wir haben ganz gezielt die Arbeitsgruppe so ausgewählt, dass Mütter mit kleinen und mit erwachsenen Kindern vertreten sind, Singles, ältere Mitarbeiter, Männer, Frauen – es überwiegen dann schon die Frauen, aber es war uns wichtig, dass sich möglichst alle darin wiederfinden. Es ist immer ein Geben und ein Nehmen und dies muss von allen mitgetragen werden. Ganz klar: Wenn jemand immer nur gibt, sprich jedes Mal wenn ein Brückentag ist, jedes Mal wenn es stressig ist, sind nur bestimmte Mitarbeiter im Dienst und andere immer im Urlaub, dann funktioniert das nicht. Dann müssen wir auch fragen, was wir dagegen tun können. Man schaut dann einfach, dass es bestimmte Zeiten gibt, in denen die Eltern in Urlaub gehen, aber jeder Filialleiter ist dafür verantwortlich, dass hier ein gesunder Ausgleich unter den Mitarbeitern ist. Das muss aber auch mal angesprochen werden, damit das Verständnis da ist, sowohl bei den Eltern, aber auch bei den jüngeren Angestellten.

 

 

Gespräche untereinander und mit allen Ebenen führen zu Lösungen zum Wohle aller Mitarbeiter.

Die Filialleiter tragen diese Philosophie auch mit, oder?

Ja, ganz klar. Wir haben das auch in jedem Jahresgespräch drin, in den Gesprächen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wenn ein neuer Mitarbeiter kommt, bekommt er eine Einführung zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir haben eine eigene Datenbank, in der alle Maßnahmen nachzulesen sind, zu der jeder Zugang hat. Darin finden sich unter anderem auch Hilfslisten, mit Telefonnummern und Ansprechpartnern für Altersheime, für Sozialsprengel und dergleichen. Zudem informieren wir mindestens einmal jährlich bei den großen Mitarbeitermeetings mit allen Angestellten, da wird das Audit nochmal von der Projektleiterin Manuela von Gelmini vorgestellt und auch angesprochen, was erledigt ist und welche neuen Ideen es diesbezüglich gibt. Wir haben zusätzlich noch ein Kreativteam, wo jeder Ideen einbringen kann, die werden dann geprüft und bei Bedarf oder Notwendigkeit entsprechend umgesetzt. So sind gar einige Maßnahmen entstanden, unter anderem eine interne Regelung zum späteren Diensteintritt am Morgen. Wir sind offen für die Belange der Eltern und auch jener Mitarbeiter, die in der Landwirtschaft nebenbei tätig sind. Es muss immer im Einklang mit dem Arbeitsplatz sein – im Innenbereich ist dies sicher das kleinere Problem, im Servicebereich muss das einfach eingeteilt werden. Eines ist aber dennoch klar: Es darf nichts ausgenutzt werden, dann geht die Schranke zu. Das Team ist im Vordergrund, nur wenn das Team zusammenschaut kann jeder einen Vorteil daraus ziehen. Das wurde aber ganz gut angenommen und wird entsprechend vom gesamten Mitarbeiterteam gelebt.

 

Ist das Audit somit fast schon eine teambildende Maßnahme?

Ja, weil das Entgegenkommen und das Verständnis da sind. Zuerst standen bei uns sicher die Familien mit kleinen Kindern im Vordergrund, dann kamen neue Bedürfnisse und Ideen, welche laufend eingebaut wurden: die Nachfrage nach einer Maßnahme für jene Angestellten, die Eltern pflegen müssen, die Frage zu den Möglichkeiten im Herbst mit der Landwirtschaft, dann kam der Themenbereich Altersteilzeit … so kommt immer wieder eine neue Idee auf. Bei der letzten Audit-Runde wurde dann auch der Bereich Gesundheit angesprochen – wir bauen daraufhin jetzt unser Gesundheitsmanagement aus, organisieren Gesundheitsseminare, da wird über gesunde Ernährung und Bewegung informiert. Auch dieses Angebot wird von unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sehr gut angenommen. Zudem haben wir einen Freizeitclub, der immer wieder mit tollen Veranstaltungen für die Pflege des geselligen Beisammenseins sorgt. Getreu nach dem Motto: Wer viel und gut arbeitet, soll auch viel und gut feiern …

 

Das trägt dann ja auch wieder dazu bei, dass das Verständnis für den anderen, für den Arbeitskollegen größer wird.

Das stimmt. Es darf nur nicht die Überhand gewinnen. Verständnis ist immer da, wenn etwas machbar ist. Wenn das dann aber zur Belastung wird, da muss man dann auch als Führungskraft gegensteuern. Man muss alles in Maßen angehen. Eine Mutter muss Zeit haben, ihr muss auch die Zeit gegeben werden, damit sie sich, ihren Familienalltag organisieren kann. Ich kann nicht als Arbeitgeber sagen: ‚Morgen musst du am Nachmittag arbeiten.‘ Und die Mutter hat für die Kinderbetreuung niemanden. Familie ist sicherlich eine große Organisationsleistung. Ich respektiere darum jede Teilzeitkraft, die in meinen Augen im Verhältnis sehr viel leistet.

 

Nochmals zurückkommend auf die Möglichkeit der Altersteilzeit. Erwarten Sie sich hier noch eine stärkere Beanspruchung dieses Angebotes?

In 4 bis 5 Jahren gehen dann jene Mitarbeiter in Pension, bei denen nicht mehr die letzten fünf Arbeitsjahre für die Höhe der Rente zählen, sondern bei denen das beitragsbezogene System voll greift. Da wird das dann sicher nochmals interessanter für unsere Mitarbeiter. Die Idee ist aber schon mal geboren und wir als Unternehmen wollen sicherlich daran festhalten und damit vielleicht auch andere zu ähnlichen Maßnahmen inspirieren.

Danke für das Gespräch.

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