Umwelt macht Schule
Zahlreiche Schülerinnen und Schüler, von der Grund- bis zur Oberschule, beteiligen sich an Projekten zur Umwelterziehung. Was sagen sie zu Greta Thunberg und was bleibt von den Umweltprojekten hängen?
„Bisher war ich nie in den Bergen unterwegs, ich gehe nicht spazieren und habe eigentlich keine Beziehung zur Natur. Dies hat sich jedoch nach unseren Tagen am Vigiljoch geändert: Mir wurde bewusst wie wichtig, positiv und entspannend doch die Berge und die Natur für uns sein können“, sagt eine der neun Schülerinnen des italienischen Bozner Oberschulzentrums „De Medici“. In Begleitung von Lehrer Paolo Bernard verbrachte sie mehrere Tage am Vigiljoch oberhalb von Lana, um Natur und Umwelt zu er-leben. Eine ähnliche Erfahrung haben auch Schüler der Grundschule aus San Lugano, einer Fraktion von Truden an der Grenze zum Trentino, gemacht. Angeleitet von den beiden Lehrerinnen Marzia Ravazzolo und Alessia Vanzetta haben die acht- bis neunjährigen Kinder unter anderem gelernt, wie Abfall richtig getrennt wird und man Müll vermeidet. Allen gemeinsam ist die Erkenntnis, dass Klima- und Umweltschutz bei jedem einzelnen beginnt. Und so erstaunt es nicht, dass auch in Bozen der Silvius-Magnago-Platz bei den „FridaysforFuture“-Veranstaltungen stets gut gefüllt ist und die Nachfrage nach schulischen Umweltprojekten an die Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz weiter steigt (allein im vorigen Jahr um 30 Prozent).
Bei der Umweltwoche am Vigiljoch ging es darum, über die Umwelt zu diskutieren und ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Vor allem für Kinder und Jugendliche, die im städtischen Bereich aufwachsen, sind die Berge gefühlt außerhalb ihrer Sichtweite. „Ich bin überhaupt nicht sportlich, man musste mich direkt dazu zwingen, hier dabei zu sein“, berichtet eine Schülerin. „Doch die Wanderungen und die Erlebnisse hier auf dem Berg waren wirklich einzigartig und toll!“, fährt sie fort. Genau darum ging es bei diesem Schulprojekt, das ein aktuelles Thema zum Anlass nimmt, um Bewusstsein vor Ort zu schaffen. 2019 war das Jahr der „FridaysforFuture“-Bewegung rund um die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg. Mit Vehemenz ruft sie dazu auf, unmittelbar und dringend durchgreifende Maßnahmen zu ergreifen, um den Klimawandel einzubremsen. Einige der Bozner Schülerinnen halten dieses Vorgehen für übertrieben, doch die meisten stehen hinter Thunbergs Forderungen. Die Schulstreiks bezeichnen manche von ihnen als willkommene Gelegenheit für ihre Mitschüler, um die Schule zu schwänzen. Auch darum formuliert eine Vertreterin des Schülerrates die Forderung, die nächsten Veranstaltungen außerhalb der Unterrichtszeiten zu organisieren. „Wir riskieren, dass die Erwachsenen nur die negativen Folgen des Streiks sehen, wie die liegen gebliebenen Plakate oder weggeworfene Dosen oder Zigarettenstummel“, sagen die Schülerinnen. Man bräuchte jedoch noch mehr an Information und Aufklärung, warum gestreikt wird: „Als Schülerrat versuchen wir zu aufzuzeigen, dass es nötig ist, einen Schulzweig aufzubauen, der sich diesem Thema in aller Tiefe widmet.“
Aus der Welt der Erwachsenen empfangen die Jugendlichen oftmals widersprüchliche Botschaften: „Viele sagen, dass es den Klimawandel nicht gibt und dass sie sich nicht für die aktuelle Situation verantwortlich fühlen“, bemängeln die Schülerinnen. „Meine Eltern haben erst durch mich ein größeres Umweltbewusstsein erlernt“, berichtet eine Schülerin, deren Eltern erst im Erwachsenenalter nach Südtirol gekommen sind. Es bräuchte daher nicht nur eine Bewusstseinsbildung für Jugendliche und Kinder, sondern viele Erwachsenen könnten noch einiges dazulernen. „Vielleicht erfährt genau aus diesem Grund, aus dieser Unkenntnis heraus, die 16-jährige Greta so viel Spott und Missgunst“, gibt eine der Schülerinnen zu bedenken. Die Schülergruppe, mit der sich LP zum Gespräch getroffen hat, gibt aber auch zu, dass es auch ihnen manchmal schwer falle, auf gewisse Annehmlichkeiten oder Produkte von (oft in der Kritik stehenden) multinationalen Konzernen zu verzichten und dafür beispielsweise ethisch korrekt produzierte Bekleidung zu wählen. Doch wird auch mit Wohlwollen festgestellt, dass sogar große Konzerne wie McDonalds aufgrund des allgemeinen Trends auf Behälter und Trinkhalme aus Plastik verzichten. „Es wäre jedoch einfacher, wenn alle umweltschädlichen Produkte ganz einfach verboten würden. Andernfalls wird der Großteil der Menschen sich weiterhin so verhalten wie bisher“, befinden die Schülerinnen.
Dass Umweltbewusstsein sich früh entwickeln sollte, zeigen die beiden Lehrerinnen Marzia und Alessia der Unterlandler Grundschule in San Lugano. „Vor ein paar Jahren haben wir festgestellt, dass die Kinder nichts über die Mülltrennungsregeln der Gemeinde Truden wussten. Auch wir selbst wussten nichts darüber, zumal wir beide aus dem Fleimstal kommen“, erzählen die Lehrerinnen. Man habe dies ändern wollen und dabei neben der Mülltrennung auch ein allgemeines Bewusstsein für die Auswirkungen unseres täglichen Verhaltens auf unsere Umwelt schaffen wollen. „Die Gemeinde Truden hat uns in unserem Vorhaben unterstützt, unter anderem indem eigene Mülltonnen und -kübel angeschafft wurden“, berichten Marzia und Alessia. Doch damit war erst der erste Schritt gesetzt. Viel weitreichender sei es gewesen, den Kindern das dahinter stehende Konzept zu vermitteln, mit dem Ziel, dass dieses auch zu Hause angewendet wird. Nach der Mülltrennung wurden auch weitere umweltrelevante Themen angesprochen, wie der Wasserverbrauch, das Mobilitätsverhalten oder der Heizungsbedarf. „Wir haben unseren Schülerinnen und Schülern erklärt, was der Treibhauseffekt und der saure Regen sind, haben Videos vorgeführt, die die Plastikverschmutzung der Meere zeigen. Dies hat großen Eindruck hinterlassen.“ Es ging den beiden engagierten Lehrerinnen jedoch nicht nur darum, theoretische Ansätze weiterzugeben. Vielmehr wollten sie auch im Schulalltag eine Veränderung erreichen. So haben sie für eine Woche lang den Müll gesammelt und aufgezeichnet, wie viel davon hätte vermieden werden können. Eine der Folgen dieser Beobachtungen ist, dass die Schüler heute – wenn möglich – zumindest einmal wöchentlich ihre Jause ohne Einweg-Verpackung mit in die Schule bringen.
Die Schüler haben zudem an einem Projekt im Naturmuseum Muse in Trient teilgenommen und einen Besuch vom Trudner Bürgermeister Michel Epp erhalten. Truden ist eine von Südtirols KlimaGemeinden. Mit dieser Zertifizierung wird eine nachhaltige Entwicklung der Gemeinde gefördert. Bürgermeister Epp hat den Schülern alle Zahlen, Daten und Fakten zur Müllentsorgung weitergegeben. „Es war ein langer Weg, der sich aber bezahlt macht, weil nun das Bewusstsein für Natur und Umwelt weitaus größer ist“, sind sich Marzia und Alessia sicher.
Die Eindrücke der jüngeren und der älteren Schülerinnen und Schüler überschneiden sich: „Ich habe verstanden, dass auch wir hier im Kleinen etwas zum Klima, zum Umweltschutz beitragen können“, hört man immer wieder. Dabei macht dieses Bewusstsein nicht bei den Schülerinnen Halt, sondern wirkt sich auch auf ihren Freundeskreis und ihre Familien aus. Umwelt macht Schule, doch nicht nur. 23.889 Schülerinnen und Schüler der deutschen und italienischen Schulen haben im vergangenen Jahr an Projekten der Agentur für Umwelt und Klimaschutz teilgenommen. Sie sind wichtige Impulsgeber dafür, dass auch Südtirol noch stärker als bisher zu einem Klimaland wird.
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