#3 Autonomie
Das Beispiel BASIS in Schlanders zeigt: Viele leer stehende Kasernen in Südtirol warten nur darauf, neu mit Leben gefüllt zu werden.

Am Anfang war es eine Idee der Bevölkerung, die nun fruchtbaren Boden gefunden hat, wächst und gedeiht. In wenigen Wochen ist es soweit: Die ehemalige Drusus- Kaserne am westlichen Ortsrand von Schlanders öffnet erneut ihre Tore. Richtig gehört! Die Kaserne bzw. ein Teil davon bittet die Bevölkerung zum Rendezvous. Das war nicht immer so. Das insgesamt vier Hektar umfassende Gelände der ehemaligen Drusus- Kaserne ging 2014 vom Staat über das Land an die Gemeinde. 1937 fertig gestellt, lebten in ihr in Spitzenzeiten bis zu 1.200 Soldaten. Ende der 1990er-Jahre wurden die letzten militärischen Nutzungen aufgegeben. Die Kaserne ist so gebaut, dass sie die wesentlichen Betriebsorganisationen und Versorgungen bewerkstelligen konnte.

 

In einem der vier Gebäude wird seit 2018 emsig gearbeitet, genauer gesagt im ehemaligen Kasernen- Versorgungsgebäude „Palazzina servizi“: In diesem Teil des Areals baut die Gemeinde Schlanders im Rahmen des Regionalentwicklungsprojekts für Forschung und Innovation sowie Kreativwirtschaft in den nächsten Jahren ein Social Activation Hub. Damit ist ein Ort gemeint, der Menschen dazu inspiriert, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Dieses Ziel hat auch der Bürgermeister von Schlanders Dieter Pinggera im Auge: „Als Vinschger Dienstleistungs- und Ausbildungsstandort bietet unsere zentral im Vinschgau gelegene Marktgemeinde eine ideale Basis, um das integrative Entwicklungsprojekt ‚BASIS Vinschgau Venosta‘ zu etablieren. Uns als Projektträger geht es darum, Eigeninitiative, Enthusiasmus und Verantwortung zu reaktivieren, Sektoren übergreifende Entwicklungsprozesse zu ermöglichen, zu gestalten und zu verstetigen.“

Impulse geben und Diskussionen anstoßen - dafür und für vieles mehr bietet BASIS Schlanders Raum.

Die Nachnutzung des Gebäudes spart Ressourcen, denn es sind vergleichsweise geringe Anpassungen notwendig, damit es in den nächsten Jahrzehnten der Bevölkerung zur Verfügung stehen kann. Die Investitionen in Infrastruktur, Ausrüstung und Personal sowie die Partnerschaften sind langfristig ausgelegt. Wie Projektleiter Hannes Götsch erklärt, möchte BASIS „durch sinnvolle Nachnutzung und Öffnung Freiräume für Kreativität, Experimente und zeitgerechte Arbeitsweisen schaffen: Wir wollen die Bevölkerung motivieren, ihren Lebens- und Wirtschaftsraum aktiv zu gestalten.“ Der Fokus liegt in der Förderung von transsektoralem und interkulturellem Denken hinsichtlich persönlicher sowie gemeinnütziger Entfaltung, internationaler Vernetzung und Kooperation. Götsch arbeitet derzeit mit seinem Team – Luca Daprà, Lukas Tappeiner und Kunigunde Weissenegger – an der Umsetzung des Vorhabens. Diesen vier ist es wichtig, vor Ort als Brücke zu agieren: Sie beraten Unternehmen und Start-ups und vermitteln weiter, was in den letzten zwei Jahren bereits geschehen ist. So wurden zum Beispiel im Frühjahr 2019 Vinschger Unternehmen befragt, was aus ihrer Sicht für die Zukunft der lokalen Wirtschaft wichtig ist: Was erwarten und wünschen sie sich? Was benötigen sie? Und was wollen sie nicht? BASIS legt außerdem großen Wert darauf, mit Vereinen und Verbänden, Institutionen und Schulen zusammenzuarbeiten. Gemeinsam wollen sie Initiativen vorantreiben und anbieten. Ein Beispiel sind die Schulen: Mit Workshops hat man versucht, für neue Technologien zu sensibilisieren. Im Herbst startet erneut der Master of Science „Konzeptuelle“ in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ETHZ, der Stiftung Pro Kloster St. Johann in Müstair und der Donau-Universität Krems.

"Als Projektträger geht es uns darum, Eigeninitiative, Enthusiasmus und Verantwortung zu reaktivieren." Bürgermeister Dieter Pinggera

BASIS Vinschgau Venosta soll ein Projekt für Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung und Kultur gleichermaßen sein. Es führt sie zusammen: Entsprechend viele Module sind – als Ergebnis der bisherigen Erhebungen und Umfragen – in den nächsten Jahren im Gebäude vorgesehen: Startbase Coworking, Gründer- und Innovationszentrum für aufstrebende Unternehmen bzw. Start-ups, multifunktionaler Event-Raum für Konferenzen, Clubbings und Konzerte, Salotto für kleinere Veranstaltungen, technologische Labore (digitale und offene Werkstatt), Foodlab für Verarbeitung und Veredelung, Residenzen für Kunst und Bildung sowie Wirtschaftsentwicklung, Ateliers und freie Projekträume.

 

Auch Landesrat Philipp Achammer sieht in BASIS gleich aus verschiedener Sicht ein Modellprojekt: „Auf einem ehemaligen Militärareal, das dem Land übertragen wurde, entstehen nun Denk- und Kreativräume für die Jugend, für die Wirtschaft, für Unternehmensgründungen.“ Gleichzeitig werde geschichtsträchtige Bausubstanz mit neuen und jungen Ideen und Projekten gefüllt und neu belebt. „Projekte wie diese, unterstützen wir als Südtiroler Landesregierung gerne,“ sagt Achammer. In den Werkstätten und Labors ist genügend Raum für praktische Innovation, Prototyping sowie Tests vorhanden. Diesen können renommierte und aufstrebende Unternehmen sowie Schulen als verlängerte Werkbank nutzen. In den Arbeitsräumen können die Beteiligten ihre Kompetenzen austauschen und Synergien schaffen. Ebenfalls bereits genehmigt ist das Projekt „VERDE“. Es wird in den nächsten Jahren umgesetzt und in das bestehende Gebäude eingebettet. Im Kern umfasst es den Innenausbau von Arbeitsräumen für Forschung und Entwicklung, den Ankauf von spezifischem Equipment sowie das inhaltliche Management und die Projektleitung, um eine flexible und funktionale Forschungsinfrastruktur einzurichten. Ihr klares Ziel: Exzellenz in lokal gewachsenen und verankerten Kompetenzfeldern auf- und ausbauen, Outputs direkt vor Ort umsetzen und verknüpfen. Darauf aufbauend sollen die Erkenntnisse aus der praktischen Anwendung wiederum dazu dienen, die Forschungsergebnisse zu vertiefen und zu verbessern.

Land und Gemeinde unterstützen die Neunutzung ehemaliger Kasernenareale.

Gleichzeitig entstehen im Kompetenzzentrum selbst hochwertige Arbeitsplätze, die für Schlanders und den gesamten Vinschgau neue Impulse bringen. Zudem werden kleinere Forschungsgruppen temporär angesiedelt, Wissenstransfer kann direkt vor Ort stattfinden. Mit VERDE kommen Forschung und Innovation direkt zu den Unternehmen und zur Gesellschaft: Diese Zusammenarbeit mit Institutionen wie NOI, Versuchszentrum Laimburg, Eurac und Uni Bozen stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der lokalen Wirtschaft. Es ist eine neue Form der Kooperation zwischen Zivilgesellschaft und Wissenschaft: Ein „Rallabor“, in dem das gegenseitige Lernen in einem experimentellen Umfeld im Vordergrund steht.

 

Das anvisierte Interreg-Projekt „in.STALL“ schließlich ist eine Zusammenarbeit von OTELO Ferlach, der Marktgemeinde Schlanders, der Fakultät für Design und Künste der Freien Universität Bozen und des Dipartimento di scienze agroalimentari, ambientalie animali der Universität Udine. Es will Innovationskapazitäten von Unternehmen, regionalen Institutionen und Einrichtungen stärken und durch eine attraktive, smarte Arbeitsumgebung die Rahmenbedingungen für Rückkehrer und Rückkehrerinnen verbessern. Auch das soll den ländlichen, grenznahen Raum stärken und für junge Menschen wieder zu einer Option als Lebensraum machen. Die Idee nimmt also Form an: Wir sehen uns im Oktober 2019 in Schlanders!

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