Südtiroler Unternehmen 4.0
Eine Reise zu Südtirols innovativsten kleinen und mittleren Unternehmen, die von einer App für Baumaschinen hin zu süßen Dekorationen, die durch einen Wasserstrahl entstehen, reicht.
Ein Maurer aus Ratschings, der Kräne, Betonmischer und Gerüste auf Baustellen mit Hilfe einer Handy-App aus der Ferne ortet und steuert. Ein Konditor aus Lüsen, der am Bildschirm Zuckerdekorationen entwirft, die dann ein Wasserstrahler auf dem Kuchen ausschneidet. Ein Steinmetz aus der dem Trentino, der Lampenschirme aus Steinen herstellt, die er in den Bergen gesammelt hat, und sie dank einer Crowdfunding-Kampagne auf den Markt bringt. Und ein Tischler aus Klobenstein, der ein Holzwerkzeug fürs Klettertraining erfindet und es europaweit über das Internet verkauft. Und schließlich ein Küchenhersteller aus Kaltern, der über Fernbedienung den Betrieb der von ihm eingebauten Küche in einem Luxushotel in Malaysien überwacht. Wenn man den Blick auf Südtirols Industrie richtet, ist das Unternehmen 4.0 bereits Realität.
Aber was genau bedeutet 4.0? Der Begriff steht für eine weiterentwickelte, eine innovative Art und Weise Unternehmen zu führen: Künstliche Intelligenz, Robotik und Sensoren helfen dabei, Prozesse und Produkte neu und besser zu gestalten. Und das gilt für alle Branchen: von der Fertigung bis zum Bau, von der Gastronomie bis zur Logistik. Bei der Innovation im Unternehmen 4.0 geht es nicht nur um das Produkt. Auch der Weg, der zur Herstellung eines bestimmten Produkts oder zu einer Dienstleistung führt, muss innovativ sein. Dazu ist es notwendig, die für Handwerksbetriebe typische und kundenorientierte Flexibilität mit der Effizienz großer, hoch automatisierter Unternehmen in Einklang zu bringen. Eine schwierige Aufgabe, an die sich aber zunehmend viele Südtiroler Unternehmen heranwagen. Es gibt auch Unternehmen, die noch keine 4.0-Maßnahmen im engeren Sinne getroffen haben, aber Innovationen umsetzen und dabei auf innovative Wege – wie Fundraising und Crowdfunding – setzen, die seit diesem Jahr auch von der Südtiroler Landesverwaltung finanziell gefördert werden. Im Hinblick auf die Unternehmensinnovation „ist eine klare Verbindung zwischen Projekt und Unternehmen 4.0, dem Internet der Dinge oder cyberphysikalischen Systemen (CPS)“ eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Landesförderungen.
„Damit Bildung, Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft in unserem Land von den vorgenommenen Investitionen möglichst breit profitieren, geben wir Projekten den Vorzug, deren Systeme oder Ergebnisse überwiegend in Südtirol entstehen“, erklärt Franz Schöpf, Direktor im Landesamt für Innovation und Technologie. Die Rechnung scheint aufzugehen, zumal zwischen 2012 und 2014 30,7 Prozent der Südtiroler Unternehmen mit mindestens zehn Mitarbeitenden Innovationsprojekte gestartet und Südtirols Unternehmen – wie die Zahlen für das Jahr 2014 zeigen – 199 Millionen Euro in Innovation investiert haben. Dies entspricht im Schnitt 1,7 Prozent des Umsatzes desselben Jahres und 4.550 Euro je Mitarbeitenden.
„Damit Bildung, Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft in unserem Land von den vorgenommenen Investitionen möglichst breit profitieren, geben wir Projekten den Vorzug, deren Systeme oder Ergebnisse überwiegend in Südtirol entstehen“ Franz Schöpf
Ein besonderes Augenmerk im technologischen Wandel der Unternehmen gilt der Digitalisierung. Die Daten zeigen, dass 2016 fast alle Südtiroler Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitenden (99,4%) mindestens einen Internetanschluss nutzten. 97,8 Prozent verfügten über einen oder mehr Breitbandanschlüsse. Im Bereich Digitalisierung läuft ein europäisches Pilotprojekt: „Südtirols Energieunternehmen Alperia arbeitet mit dem chinesischen Hightech-Riesen Huawei zusammen, um ein Breitbandnetz der neuesten Generation aufzubauen, das Bürger und Unternehmen in Südtirol mit neuen digitalen Diensten versorgt“, erklärt Hubert Hofer, der die IDM-Entwicklungsabteilung leitet. Es handelt sich dabei um Technologien, die sich in Richtung SDN-Modell (Software defined Network) entwickeln, das mit Hilfe integrierter Plattformen in der Lage ist, mehrere unterschiedliche Technologien mittels eines einzigen Systems zu verwalten. Derzeit investiert das Land 0,75 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) in Forschung und Innovation. Dieser Anteil soll jedoch wachsen, um die von der „Strategie Europa 2020“ vorgesehenen drei Prozent baldmöglichst zu erreichen. Bisher kamen die öffentlichen Förderungen vor allem den einzelnen Unternehmen zu Gute, in Zukunft dürfte der NOI Techpark sowohl öffentliche als auch private Investitionen anziehen.
Der Technologiepark soll zum Schaufenster für die innovativsten Ideen des Landes werden, wo auch kleine lokale Unternehmen weltweit zeigen können, auf welch hohem Niveau sie arbeiten. Für Landeshauptmann Kompatscher ist der NOI Techpark Kristallisationspunkt der Bemühungen des Landes, Südtirol durch strategische Investitionen in den Bereich Forschung und Entwicklung zu einem relevanten Innovationsstandort mit internationaler Strahlkraft zu machen. Der Technologiepark werde fortschrittliche Südtiroler Unternehmen aller Sektoren beherbergen, vom Engineering bis zum Bau, von der wissenschaftlichen Forschung bis zur Technologie, von der Handwerkskunst bis zu Dienstleistungen; er werde dem Landeshauptmann zufolge die Stärken des Landes wiederspiegeln, die solche besondere Leistungen möglich machen: anpackende Menschen, solidarisches Denken und Handeln, alte Traditionen und weitsichtige Visionen und dadurch zu einem echten Forschungscampus werden. Er weist auch auf die Verantwortung hin, die der öffentlichen Verwaltung für die Erhaltung eines Ökosystems trägt, sei dies nun aus wirtschaftlicher, juridischer, logistischer oder sozialer Sicht. Aufgabe sei es, Tradition zu wahren, aber gleichzeitige innovative Ideen anzufeuern, indem entsprechende Prozesse sowohl in Privatunternehmen, als auch im NOI in Bozen und Bruneck sowie an Universitäten und Forschungseinrichtungen unterstützt werden.
Das Land Südtirol fördert Innovation mit verschiedenen Maßnahmen. So garantieren die seit Mai 2018 geltenden Richtlinien zum Landesgesetz Nr. 14 aus dem Jahr 2006 (Forschung und Innovation) eine zielgerichtetere Förderung für Innovationsinitiativen von kleinen, mittleren und großen Unternehmen. Auf Fundraising-Kampagnen für neue Produkte und Dienstleistungen, einschließlich Crowdfunding-Projekte, ausgerichtet, ist die Förderung von Unternehmensinnovationen nach Artikel 17 mit Förderbeiträgen bis zu 5.000 Euro je Maßnahme. Dank der neuen Richtlinien können auch KMU und Großunternehmen um Zuschüsse für die Kosten ansuchen, die in der Vorphase von Forschungs- und Entwicklungsprojekten anfallen, etwa bei der Prüfung und Bewertung neuer Ideen, der Erstellung eines Projektentwurfs, der ersten Tests und der Beurteilung der Machbarkeit eines Projekts. Darüber hinaus werden Investitionsinitiativen in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), digitale Transformation und Automatisierung unterstützt, und zwar mit bis zu 30.000 Euro je Mitarbeitendem in Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten.
Auch das Landesgesetz Nr. 4 aus dem Jahr 1997 zielt auf die Unterstützung der Wirtschaft ab. Für das laufende Jahr 2018 hat das Land Mittel für die Kapitalisierung von Kleinunternehmen bereitgestellt, wobei vor allem Investitionen von 20.000 bis 500.000 Euro in Digitalisierung und Innovation berücksichtigt werden; die Zuschüsse betragen bis zu 100.000 Euro. Schließlich wurden 32 Millionen Euro für den EFRE-Förderschwerpunkt 1 „Forschung und Innovation“ im Zeitraum 2014-20 bereitgestellt, mit denen bereits einige Labors im NOI Techpark finanziert wurden, wie das Labor für Sensoren (Sense Lab: 1,4 Millionen Euro) und die Mummy Labs von Eurac Research (685.000 Euro). Mit dem Gesamtbetrag der ersten Ausschreibung im Wert von 12 Millionen Euro wurden zudem ein Modellierungsverfahren zur Gebäudeinformation des Fraunhofer-Instituts (BIMSimLab: 609.000 Euro) und das Micro4food für die biomolekulare Forschung an Mikroben und Lebensmitteln der Uni Bozen (1,7 Millionen Euro) finanziert.
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